Nazi-Strukturen in Offenburg zurückdrängen – Nazi-Aufmarsch am 22. Oktober in Emmendingen verhindern!
Faschistinnen und Faschisten wollen in Offenburg aufmarschieren. Wir sagen: Nazis? – No way!
Am 22.Oktober wollen FaschistInnen der „Freien Kräfte Ortenau“ und der „Kameradschaft Südsturm Baden (KSB)“ in Offenburg einen rechten Aufmarsch durchführen. Das Motto der Demonstration soll lauten: „Ohne Bauernstand stirbt unser Vaterland – Nur regional ist national“. Dieses bizarre Motto der Nazis ist – wie die FaschistInnen sogar selbst zugeben – ein reiner Vorwand, um die badische Judendeportation abzufeiern. So wundert es auch nicht, dass der Nazi-Aufruf inhaltlich sehr seltsam zusammengesetzt ist und er neben platten nationalistischen und pseudo-globalisierungskritischen Phrasen kaum (mehr) Substanz enthält.
Dass die Nazis in Emmendingen aufmarschieren wollen, ist erst seit kurzer Zeit bekannt. Daher ist der Aufruf noch relativ speziell auf Offenburg bzw. die Ortenau zugeschnitten.
Das Antifaschistische Bündnis Ortenau, das aus verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen aus der Rheinschiene besteht, hat sich zur Aufgabe gemacht, den Nazi-Aufmarsch am 22. Oktober in Offenburg zu verhindern und nachhaltig eine antifaschistische Kultur in Offenburg und der Region zu fördern. Wir möchten in diesem Aufruf darlegen, weshalb es eine Notwendigkeit gibt, sich den Nazis in der Ortenau immer und besonders am 22. Oktober 2011 entgegenzustellen.
Kleiner Rückblick
Am 23. Oktober 2010 organisierten antifaschistische Gruppierungen und Initiativen eine Demonstration im ca. 50 km von Offenburg entfernten Rastatt mit anschließender Kundgebung vor dem damaligen Nazi-Zentrum „Rössle“ in Söllingen. Einige Wochen vor dieser Demonstration wurde dann bekannt, dass Ortenauer Nazis einen rechten Aufmarsch in Offenburg planen. Primär ging es den Offenburger Nazis damals darum, die linken und antifaschistischen Kräfte in der Region an diesem Tag zu spalten und personell aufzuteilen. Der damalige Vorwand der Rechten war die Forderung nach dem Erhalt der nachträglichen Sicherheitsverwahrung. Am 23. Oktober schließlich wurde sowohl in Rastatt und Söllingen als auch in Offenburg starke antifaschistische Zeichen gesetzt. In Offenburg standen 600 AntifaschistInnen den 60 Nazis gegenüber und machten den Nazi-Aufmarsch unmöglich, in Rastatt und später in Söllingen demonstrierten insgesamt über 500 Menschen gegen das Nazi-Zentrum und gegen faschistische Strukturen.
In diesem Jahr möchten die Ortenauer Nazis nun wieder in Offenburg aufmarschieren und ihre menschenverachtende Ideologie auf die Straße tragen.
Die Nazi-Szene in und um Offenburg
Wie wir in den letzten Monaten beobachten konnten, nahm die Nazi-Präsenz in der Stadt Offenburg erheblich zu. Egal ob sich das nun durch Aufkleber, durch Bedrohungen auf der Straße oder auch durch gelegentliche Angriffe auf vermeintliche Linke und MigrantInnen ausdrückt, wird immer wieder eines deutlich: Die Nazi-Szene in Offenburg wächst, die Gewaltbereitschaft nimmt an Qualität zu und sie kommt immer mehr zum Vorschein. Wir haben die größeren Vorkommnisse und Begegnungen mit Ortenauer Nazis der letzten paar Jahre im Kampagnen-Text „Chronik rechter Aktivitäten“ zusammengestellt.
Bei den Übergriffen treten die FaschistInnen in Gruppen und z.T. bewaffnet auf. Neben dem Einsetzen von Pfefferspray führen sie auch andere Waffen wie z.B. Gaspistolen und Messer mit sich, die sie zum Einschüchtern benutzen bzw. präsentieren und sie auch einsetzten würden.
Die nennenswertesten Nazi-Gruppierungen der Ortenau sind die „Kameradschaft Südsturm Baden (KSB)“ und die „Freien Kräfte Ortenau“, die auch den diesjährigen Aufmarsch organisieren. Sie sind bekannt durch ihre dilettantischen Aufritte (Zunächst war ihr Aufruf in Ich-Form), ihre Glorifizierung des deutschen Faschismus (z.B. am Panzergraben in Rheinau) und die peinlichen Videos in diversen Youtube-Kanälen (Lieder-singend vor dem Spiegel). So lassen sie es sich z.B. auch nicht nehmen, im Internet anzukündigen, dass alle Linken und AntifaschistInnen in den Ofen kommen würden, „sobald sie am Drücker sind“.
Was ist der Faschismus?
Der Faschismus ist eine terroristische Form bürgerlicher Herrschaft. Mit der Ausschaltung der Demokratie verfolgt er das Ziel der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und ihrer Eigentumsverhältnisse. Der Faschismus bedarf, um eine realistische Möglichkeit zur Machteroberung zu erhalten, eine Massenbasis. Um eine solche zu erlangen, muss er an die Ängste der von Abstieg bedrohten Bevölkerungsschichten anknüpfen und diese für sich gewinnen, wofür potentiell vor allem in Zeiten der wirtschaftlichen Krise günstige Voraussetzungen bestehen. In der deutschen Geschichte gelang ihm das vor allem beim Kleinbürgertum, also den ländlichen und städtischen Mittelschichten. Weiter verfügt der Faschismus über einen ausgeprägten ideologischen Charakter. Für den deutschen Faschismus bestimmend waren etwa ein übersteigerter Nationalismus, der Antisemitismus sowie der Antimarxismus, der sich gegen SozialdemokratInnen und vor allem KommunistInnen richtete, bestimmend.
Dort wo faschistische Regime installiert wurden – etwa in Italien und Deutschland – , hatten diese den Charakter von Bündnissen. Sie waren niemals selbständige Regierungen der FaschistInnen an sich, sondern gemeinsam getragen von Konservativen, den eigentlichen FaschistInnen sowie den alten Eliten aus Wirtschaft, Militär und Staat. Schon gar nicht wurden die verschiedenen faschistischen Regierungen von den FaschistInnen selbständig erkämpft. So wurden den deutschen „NationalsozialistInnen“ die Macht von Reichspräsident Paul von Hindenburg offiziell übertragen. Das erste Kabinett unter Reichskanzler Adolf Hitler ab dem 30. Januar 1933 war der Form nach eine Koalitionsregierung der konservativen DNVP und der faschistischen NSDAP, welche noch die Minderheit der MinisterInnen stellte. Faschistische „Machtergreifungen“ waren nur möglich durch die Tolerierungs- und Unterstützungspolitik der etablierten konservativen Kreise, der Eliten aus Militär, Polizei, Justiz, Bürokratie und Wirtschaft, insbesondere der Unternehmerverbände.
Dieses Bündnis diente dem zentralen Zweck faschistischer Krisenlösungsstrategien. Das Ziel der Niederschlagung der selbständigen ArbeiterInnenbewegung war die zusammenhaltende Klammer der weitgehend autonomen faschistischen Bewegung und der maßgeblichen Kräfte aus Staat und Kapital. Das Bündnis, das die deutsche Bourgeoisie mit der vor allem vom Kleinbürgertum getragenen Nazi-Bewegung spätestens seit Beginn der 1930-er Jahre endgültig einzugehen bereit war, war motiviert durch die Aussicht auf die gründliche Ausplünderung Europas und der Welt sowie die Gewissheit, dass der Kampf gegen den Marxismus ein zentrales Moment der Ideologie der Nazis darstellt und die Bekämpfung der ArbeiterInnenbewegung sehr früh auf der Agenda zur „Vereinfachung der Demokratie“ stehen würde. In diesem Punkt finden wir eine handfeste und in ihrer historischen Bedeutung nicht zu unterschätzende Deckungsgleichheit in den Interessen des deutschen Kapitals mit der Programmatik der NSDAP.
Auch heute haben die Kapitalverbände selbstverständlich ein Interesse an der Schwächung der selbständigen ArbeiterInnenbewegung, also der politischen Linken und der Gewerkschaften. Folglich ist das Bündnis mit dem Faschismus nach wie vor eine potentielle Option für das Kapital. Gerade in Krisenzeiten, wenn der Druck, der auf den Lohnabhängigen lastet, immer stärker wird, die linke Opposition wächst und für die herrschende Klasse gefährlich werden kann, wird der Faschismus zu einer systemerhaltenden Option, da er für eine kompromisslose Politik gegenüber der Linken steht und durch die Intensivierung der Ausbeutung der Lohnabhängigen die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise garantiert.
So ist es uns AntifaschistInnen zentrale Aufgabe, nicht nur auf die Zusammenhänge von Faschismus und Kapitalismus hinzuweisen, sondern vor allem den Aufbau potentiell bündnisfähiger faschistischer Strukturen schonungslos zu bekämpfen und – wenn uns möglich – schon im Keim zu ersticken.
Die Ideologie der (Ortenauer) Faschisten
Nachdem wir kurz erklärt haben, was der Faschismus bedeutet, möchten wir uns diese Ideologie bei den Ortenauer Nazis näher anschauen.
Beispielhaft für die faschistische Ideologie der Ortenauer Nazis ist der Verweis auf den „Nationalen Sozialismus“, der – so wie schon zu Zeiten der NSDAP und früher – immer schon für einen militanten Antimarxismus und eine militant antidemokratische Einstellung stand. Der Begriff kommt ursprünglich von christlich-national-antisemitischen Gruppierungen Ende des 19. Jahrhunderts, die sich einig darin waren, dass die grundsätzlichen Herrschafts-, Eigentums- und Verteilungsverhältnisse beibehalten werden müssen und der Hauptfeind deshalb die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung sei. Weiterhin sei von hoher Priorität – so will es diese Ideologie –, dass „das Jüdische“ eliminiert werde, um somit alle Übel der gesellschaftlichen Verhältnisse zu beseitigen (Sündenbock-Theorie). Ein Merkmal des sog. „nationalen Sozialismus“, das sich auch explizit bei den Ortenauer Nazis (und natürlich auch bei vielen anderen Nazi-Gruppen) wiederfinden lässt, ist das pseudo-antikapitalistische Gehabe. D.h. Es wird ein Missstand im derzeitigen Wirtschaftssystem herausgesucht, oberflächlich beschrieben und es werden einfache Antworten gefunden, die weder das Problem lösen können noch auch nur annähernd das Wesen einer Problematik in sich aufnehmen. Der Aufruf, der für die Nazi-Demo am 22. Oktober Werbung machen soll, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Wir haben uns genauer mit diesem Nazi-Aufruf auseinandergesetzt: es lässt sich im Kampagnen-Text „Ein sehr schlechtes Alibi“ nachlesen.
Die Forderung nach „nationalem Sozialismus“ hat weder etwas mit Sozialismus (ein Begriff der ArbeiterInnenbewegung) zu tun noch etwas mit dem Wunsch nach sozialeren und menschlicheren Verhältnissen. Dieser Begriff ist ein Propaganda-Besgriff der Nazis, um ihre Vorstellung des „neuen Systems“ irgendwie „neuartig“ klingen zu lassen, was es aber definitiv nicht ist, da sie schließlich nur eine ausbeuterische und unterdrückerische Veränderung im Rahmen des kapitalistischen Systems anstreben. Was faschistische Bewegungen an der Macht z.B. in Italien, Österreich und Deutschland im Namen des „nationalen Sozialismus“ geschichtlich umgesetzt haben, sollte bekannt sein und dass das die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in den jeweiligen Staaten nicht verbessert hat, ebenso.
Ein weiteres Merkmal des Faschismus sind diverse ideologische Bestandteile, die offen propagiert werden und menschenverachtenden Charakter haben. Wir meinen hiermit unter anderem Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus. Insbesondere letzteres wollen wir aus gegebenem Anlass näher beleuchten.
Gegen Antisemitismus!
Wie bereits erwähnt, hat der angekündigte Nazi-Aufmarsch in Offenburg offensichtlich einen antisemitischen Beigeschmack, weshalb wir nochmals auf die Dringlichkeit antifaschistischen Handelns hinweisen möchten. Die Verhöhnung der ca. 6000 badischen Jüdinnen und Juden, die am 22. Oktober 1940 deportiert und in den meisten Fällen später auch ermordet wurden, ist ein Indiz für die verrohte und menschenverachtende Einstellung der Nazis, die den Aufmarsch durchführen möchten. Dass solchen Aufmärschen in Deutschland wieder öffentlicher Raum eingeräumt wird, halten wir für skandalös.
Was es mit der Deportation und dem Lager Gurs auf sich hat, haben wir in einem separaten Kampagnen-Text niedergeschrieben. Am Jahrestag der badischen Judendeportation ist es für uns umso wichtiger, dass sich keine Horden von reaktionären und menschenfeindlichen Gruppierungen auf den Straßen befinden, die sich direkt in der Traditionslinie des deutschen Faschismus verorten lassen.
Kein Fußbreit den Faschisten! – Faschistischen Strukturen entgegentreten.
Gerade weil die FaschistInnen in Offenburg derart unverfroren agieren, ist es wichtig ihnen etwas entgegen zu setzen. Wir sagen: Kein Fußbreit den Faschisten. Denn wo FaschistInnen marschieren, ungestört ihre Hetze verbreiten, ihre politischen Feinde bedrohen und sie sich in der Gesellschaft durch pseudo-antikapitalistische Themen breit machen wollen, da ist unser Widerstand gefragt. Wir müssen den FaschistInnen in den Weg treten, damit sie ihren Aufmarsch keinen Meter weit durchführen können!
Erst aufwärmen….
Es ist wichtig und notwendig, in der Stadt Offenburg ein starkes antifaschistisches Zeichen zu setzen. Gerade dort, wo sich die FaschistInnen breit machen wollen, ist es nicht nur wichtig, auch ihre öffentlichen Aktionen zu verhindern, sondern auch den antifaschistischen Protest und Widerstand zu stärken. Viele andere Städte, in denen Nazi-Aufmärsche erfolgreich durchgeführt werden konnten, zeigen wie stärkend sich das auf die rechte und faschistische Szene vor Ort auswirken kann. Und das muss verhindert werden! Deshalb kündigen wir im Vorhinein an, dass wir ihnen die Städte und Straßen nicht einfach so für ihre Propaganda überlassen werden!
Das ist der Grund, weshalb es im Vorfeld des Naziaufmarsches einen antifaschistischen Aktionstag am 8. Oktober geben wird, um eine breite antifaschistische Kultur und eine klare antifaschistische Meinung in Offenburg und der Region zu etablieren.
Um 15 Uhr findet daher eine antifaschistische Demonstration in Offenburg statt. Nach der Demo wird es dann noch ab 17 Uhr vor dem selbstverwalteten Jugendzentrum Kessel ein antifaschistisches Straßenfest mit Essen, Infoständen und gemeinsamen Workshops geben. Schlussendlich wird ab 20 Uhr ein Konzert im Kessel beginnen, um den Abend angemessen ausklingen zu lassen. Damit können wir alle uns auf die Verhinderung des Naziaufmarschs zwei Wochen später einstimmen und wir können den FaschistInnen unsere Entschlossenheit verdeutlichen. Wir laden alle herzlich dazu ein, teilzunehmen.
…dann verhindern!
Am Tag ihres geplanten Aufmarsches, am 22. Oktober, werden wir auf die Straßen Offenburgs gehen, um deutlich zu machen, dass wir keine Nazis in der Ortenau und überall sonst dulden werden.
Wir rufen deshalb alle Menschen dazu auf, am 22. Oktober nach Offenburg zu kommen!
Und selbst wenn die Faschistinnen und Faschisten nicht in Offenburg aufmarschieren werden, sondern sich eine andere Stadt suchen, dann werden wir alles daran setzen, den Nazi-Aufmarsch – egal wo er stattfindet – zu verhindern!
Wir appellieren außerdem an die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, dass sie sich an konkreten Verhinderungsmaßnahmen des Nazi-Aufmarsches beteiligen und sich nicht fernab untätig irgendwo „abstellen“ lassen. Die Gewerkschaften als eigentlicher integraler Bestandteil der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung gehörten historisch immer zu den ersten, die von faschistischen Bewegungen und Systemen bekämpft, zerschlagen und vernichtet wurden. Ein Grund mehr, dass FaschistInnen keine Basis gegeben wird!
Denn eine friedliche und solidarische Gesellschaft ist nur möglich, wenn der Faschismus mit seinen Wurzeln im kapitalistischen System aus der Welt geschafft ist!
Nie wieder Faschismus!
Den Naziaufmarsch am 22. Oktober in Offenburg verhindern!
Antifaschistisches Bündnis Ortenau
Momentane UnterstützerInnen:
- 537-Redaktion
- alarm e.V.
- Antifa Aarau
- Antifa Euskirchen/Eifel
- Antifaschistische Linke Bühl-Achern [ALBA]
- Antifaschistische Linke Freiburg (ALFR)
- ASJ Eleu Lahr
- ATIK – YDG (Neue Demokratische Jugend)
- Autonome Antifa Kalrsruhe
- Die Linke Kreisverband Ortenau
- Gruppe 76 Rastatt/Murgtal
- Initiative Rems-Murr nazifrei!
- Linke Aktion Villingen-Schwenningen
- Linksjugend [’solid] Baden-Württemberg
- Linksjugend [’solid] Ortenau
- Linksjugend [’solid] Pforzheim
- nigra.noblogs.org
- SJD – Die Falken Ortsverband Freiburg
- Weiler schaut hin! e.V.
Den Aufruf als PDF gibt es hier.
Wenn ihr den Aufruf unterstützen wollt, dann schreibt eine E-Mail an og[minus]nazifrei[aet]riseup.net